Lehrplanforschung

Curriculare Planungen

Sie nennen es Campus

Posted on | September 20, 2012 |

Zur Eröffnung der neuen PHZH am Bahnhof Zürich

Mitten im Zentrum steht sie, die neue PHZH, die pädagogische Hochschule Zürich, mit direktem Bahnanschluss, umfriedet von der schweizerischen Bundespost und einer Grossbank. Urban sei sie, die Atmosphäre an der Europaallee mit Shoppingmall, Coffeeshops, Snackbars, Bistros und Kiosken. Es gibt viele Treppen und Stufen aussen und Innenhöfe zum Sitzen, Reden, Essen und Lesen. Die rechteckig hohen Kuben der versammelten Gebäude unterscheiden sich kaum von andern neuen in der Stadt der Banken und Kaufhäuser, solide Einfachheit und vielfach nutzbar, auch zum Studieren, zum Lehren und Lernen. Elegant wird man sie nicht nennen wollen, aber modern und brav, wie es sich hierzulande gehört für eine reiche bürgerliche Gesellschaft.

In die Phantasie greift hier lediglich der Standort, und der ist für einen Ort der Lehrerbildung schon beinahe revolutionär, auch wenn solche Verortungen mittlerweile landauf landab Schule machen. Nichts erinnert noch an die Seminare und Internate für künftige Lehrer und Lehrerinnen unserer Volksschulen und Kindergärten. Alles Ländliche ist hier fern, keine klösterlichen Pflanz- oder Kräutergärten oder Zwetschgenplantagen, auch kein Ökoteich oder dergleichen didaktischer Schnickschnack, kein Wald in der Nähe, in den Rousseau seinen Emile begleiten könnte. Auch die Baracken sind nun weg, die noch von ferne an jene der Zivilisation und ihren Verlockungen weit abgelegenen reformpädagogischen Bildungsstätten mit ihrer Lageratmosphäre erinnern konnten.

Wie eine Beschwörung hört sich dann der Name an, eine Art Merseburger Zauberspruch: Campus. Von Feldern, Wiesen und Auen ist da weit und breit nichts zu sehen. Weder zum Verweilen noch für ein ‚déjeuner en herbes‘ lädt der Ort ein. Und hier zu wohnen, werden Lehrende und Studierende sich kaum leisten können, wenn es denn überhaupt ein Angebot dazu gäbe. Auch bräuchte es sehr viel Beschwörung, bis uns Platos Akademie vor den Toren der Stadt Athen einfiele beim Spurt vom Bahnhof oder vom Tram zum Seminar und nachher wieder pünktlich zum Zug.

Wer noch an der Uni studiert, im Irchel zum Beispiel, dem neuen Hochschulzentrum, mag vielleicht bei einer langen Tramfahrt von hier nach dort ins Grübeln kommen, was das zu bedeuten haben könnte, dass die Volkschullehrer nun in der City ausgebildet werden und die andern Akademiker ganz oben am Waldrand des Zürichberges, wo früher die landwirtschaftliche Schule stand.

Aarau im September 2012  RK

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